In der letzten Woche hat ein weiterer Fall erfundenen jüdischer Identität die Feuilletons beschäftigt. Dieses Mal ging es um den Kulturjournalisten Fabian Wolff. Der freischaffende Autor hat vor allem über Musik und Literatur geschrieben, unter anderem für Zeit online. Die Welt und die Jüdische Allgemeine. In längeren Essays schrieb er aber auch immer wieder über jüdische Identität, jüdisches Leben in Deutschland und den Nahostkonflikt. Dabei bezog er sich immer wieder explizit auf seine jüdische Sprechposition, auch wenn er etwa die BDS-Kampagne verteidigte. Der Ton war dabei scharf und aus vielen Texten sprach eine moralische Überlegenheit. Diese behielt Wolff auch in dem am 16. Juli veröffentlichen Text „Mein Leben als Sohn“ bei. Am Ende des selbstzentrierten Textes erklärt er, herausgefunden zu haben, dass seine angeblich jüdische Urgroßmutter gar nicht jüdisch sei. Eine ernsthafte Erklärung, wie es überhaupt zu dieser Annahme kam, warum Wolff die recht simple Recherche nicht schon viel früher durchgeführt hat oder gar eine Entschuldigung sucht man in dem Text vergebens.
Fälle von erfundenen jüdischen Familiengeschichten gibt es immer wieder. Diese werden auch als ‚Kostümjuden‘ bezeichnet. In der Fachliteratur gibt es zudem den Begriff ‚Wilkomirski-Syndrom‘, benannt nach einem Fall aus den 1990er Jahren. Zuletzt gerieten etwa die Bloggerin Marie Sophie Hingst oder Wolfgang Seibert, der ehemalige Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Pinneberg dadurch in die Schlagzeilen. Wer sich mehr mit diesem Phänomen befassen will, dem empfehlen wir das Buch „Phantastische Gesellschaft – Gespräche über falsche und imaginierte Familiengeschichten zur NS-Verfolgung“ von Clemens Böckemann und Johannes Spohr.